Es gibt zwei Arten des Malens: die Natürliche und die Künstlerische. Kunst ist immer ergebnisorientiert und hat einen Adressaten. Wenn man kleine Kinder malen lässt, sieht man: sie malen um des Malens Willen. So wie sie spielen; es dient keinem Zweck, soll nicht zur Schau gestellt werden. Auf diese Weise entstehen ganz andere Bilder, weil man aus sich heraus malt ohne den Gedanken, etwas Schönes oder Besonderes für andere darstellen zu wollen.
Eine unendliche Geschichte
Im Malort gibt es keine Grenzen. Jeder kennt zum Beispiel das typische Bild mit dem Haus, dem Schornstein und dem Weg davor. Im Malort gibt es die Möglichkeit, diesen Weg weiter wachsen zu lassen. Das heißt, weitere Blätter an das erste hinzuzufügen und so dieses Abenteuer weiter erleben zu dürfen. Vielleicht sogar bis ins Unendliche, denn man kann so viele Blätter anfügen, wie man möchte.
Im Malort darf sich jede*r frei entfalten und dies brauchen wir so dringend für unsere Entwicklung. In Kindergärten und Schulen ist dies oft leider nicht mehr möglich. Sie funktionieren nach einem Benotungs- und Bewertungssystem. Auch in unserer Gesellschaft, die auf Leistung, Medien und Konsum basiert, befinden wir uns in einem ständigen Bewertungssystem.Arno Stern hat vor 70 Jahren angefangen, mit Kindern zu malen und tut dies seitdem (heute immer noch mit 94 Jahren). Zu Beginn seiner Tätigkeit hat er die Kinder beobachtet und eben festgestellt, dass sie malten, so wie sie spielten. Alle Kinder liebten es, zu malen und genossen die bunten Spuren auf dem Papier. Sie taten dies völlig selbstvergessen. Er griff niemals in das Gemalte ein und kommentierte es nicht. So können Kinder “malspielen” ohne Kommentare von Erwachsenen wie “Was malst du denn Schönes?”, “Was soll das denn darstellen?”, “Das ist aber schön”, “Toll gemacht”, “Ist das für mich?”, …
Wenn wir Kinderbilder bewerten und besprechen, übernehmen Kinder diese Haltung und lernen, dass jedes Bild also etwas darstellen muss, schön sein soll, gefallen muss und am Besten an die Oma, Tante, Mama verschenkt wird. Das entspricht nicht ihrem (und unserem, denn wir alle waren einmal Kind) ursprünglichen Bedürfnis.
Im Malort werden Bilder nicht bewertet, es gibt keine Vorgaben, keine Zensur. Es gibt einige Regeln und feste Rituale, die einen Rahmen bieten. Innerhalb dieses Rahmens, der festgesteckt ist, ist eine grosse Freiheit möglich.
Arno Stern hat ausserdem beim Malen mit den Kindern festgestellt, und dann jahrzehntelang erforscht, dass wir ein genetisches Programm besitzen, nachdem wir alle ganz ähnliche Gebilde entstehen lassen. Sie basieren auf einer vorgeburtlichen Erinnerung. Im Pariser Malort von Arno Stern wurden die Kinder mit der Zeit erwachsen und er stellte fest, dass das Zusammensein mit jung und alt wunderbar wohltuend und inspirierend ist. Ausserdem fällt es leichter, nicht zu bewerten, denn ein Fünfjähriger und eine Fünfzigjährige vergleichen sich nicht.
„Jeder erfährt hier, dass er unvergleichlich ist, inmitten anderer, die es auch sind.“ Arno Stern
Also: Hier ist wirklich JEDE*R herzlich willkommen. Das Malspiel findet regelmäßig und vor allem, längerfristig statt. Gemalt wird für 90 Minuten, jüngere Kinder (unter fünf Jahren) malen evtl. etwas kürzer.